Premierenfieber – Kerwelauf Wallstadt 2014
Wie es dazu kam
Vor ein paar Tagen sprach mich Hans-Peter an – oder einfach nur H.P., wie wir ihn liebevoll alle rufen. Ich solle doch beim Kerwelauf in Wallstadt mitmachen, der von seinem Verein, der DJK Wallstadt, im Rahmen der Wallstädter Kerwe stattfindet. Im ersten Moment war ich eher erschrocken, denn ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, einen echten „Wettkampf“ zu bestreiten. Schon gar nicht, weil die letzten vier Wochen nicht wirklich viel ging was das Laufen betrifft. Ein Grund war, dass ich in der Zeit auch einen Krankenhausaufenthalt wegen einer Entzündung im Bein hatte. Aber bis auf Antibiotikakuren und kühlenden Salbenverbänden wurde nichts gemacht und so blieben auch keine bleibenden oder gar schmerzhaften Schäden zurück. Daher sagte ich spontan zu und meldete mich am 07.08.2014 tatsächlich an. Besser gesagt, H.P. machte dies auf kurzem Wege, um mir 3 Euro Nachmeldegebühr zu sparen. Ein typischer Schwabe eben.
Die Strecke
Der Lauf sollte am Marktplatz in Wallstadt starten, rund um beide Vogelstang-Seen gehen, um dann wieder zurück in die Mitte von Wallstadt zu gelangen. Insgesamt lockere 5 Kilometer. Allerdings hat es die Strecke in sich, da die Wege alles andere als Eben und gut zu Laufen sind. Zumindest für schwere Läufer wie mich, die immer noch um jeden Zentimeter kämpfen müssen, um ihre Beine vom Boden wegzubekommen. Ich bin ja selbst anfangs diese Strecke gerne gelaufen, habe aber irgendwann dann entnervt aufgegeben und bin dann nur noch bei mir im Bürgerpark gelaufen, weil hier die Strecke für mich viel angenehmer zu Laufen ist und mir das Verletzungsrisiko um die Seen herum einfach zu groß war für den Anfang. Und ich wusste genau warum, aber dazu gleich mehr …
Wettkampftag
Am 10.08.2014 machte ich mich dann schon frühmorgens um 09.30 Uhr auf den Weg nach Wallstadt, 2 Stunden vor Startbeginn. Ich schwang mich auf mein Fahrrad und genoss den kurzen Weg von mir Zuhause bis zum Ort des Geschehens. Dort angekommen verstaute ich dann erstmal ordnungsgemäß mein Rad und machte mir erstmal eine Zigarette an. Nicht, ohne mich vorher so zu verstecken, dass mich wirklich keiner der Aktiven dabei beobachten konnte. Wie sähe das auch aus, wenn man kurz vorm Wettkampf noch einmal an einer Fluppe zieht.
Danach ging es auf zum Startgebiet und ich hielt noch einen lustigen Plausch mit H.P., der sich als Zeitnehmer im Vorfeld nicht bestechen ließ, die Zeiten so hinzubiegen, dass ich irgendwie auf dem Siegertreppchen ganz oben stehen würde… Ein Versuch war es aber allemal wert. Also ging es ans Aufwärmen und Dehnen ….. was relativ fix ging – zu fix, denn das sollte ich bitter bereuen, hier nicht mehr Zeit investiert zu haben.
Tierische Angst – und wie ich sie überwand
Ich sah die ganzen sportlichen Menschen um mich herum – und bekam auf einmal tierische Angst. Nicht nur, dass hier ältere Semester mit einer sicher langen sportlichen Vergangenheit teilnehmen sollten, nein, auch jede Menge junge Menschen im besten sportlichem Alter und in voller Läufermontur nahmen an dem Lauf teil und ließen mich in der Menge irgendwie total Fehl am Platze wirken. Muss zugeben, dass ich mir ziemlich komisch vorkam unter all den Sportlern. Selbst im Nordic-Walking Lauf, bei dem ich angemeldet war, sahen sie alle viel fitter und professioneller aus als ich. Sollte ich jetzt wirklich kurz vorm Start noch kneifen, weil ich mir anders vorkam? Nein! Das hab ich irgendwie dann doch nicht einsehen wollen und so stellte ich mich auf ein Rennen ein, bei dem ich sportlich gesehen vielleicht nicht mithalten kann, aber dass ich auf jeden Fall mit Anstand und Würde beenden würde. Und dann bemerkte ich, dass ich doch nicht ganz so alleine als Hobby-Läufer dabei bin, was mich wieder etwas entspannen ließ und mir Hoffnung machte, nicht als Allerletzter durch die Ziellinie zu laufen. Der Ehrgeiz war wieder da.
Der Start
Kurz vor 11.00 Uhr stellten sich dann insgesamt 77 Läufer-/innen in verschiedenen Alters- und Rennklassen an der Startlinie auf. Ich nahm gemütlich Platz in den hinteren Reihen, wollte ich doch nicht gleich Schuld an einem Massensturz sein. Ich hielt mich also bedacht im Hintergrund und war ganz froh darum. Pünktlich um 11.00 Uhr erfolgte dann auch schon der Startschuss. Für mich hieß das erstmal 2 Knöpfe drücken. Runtastic auf dem Handy also in den Startmodus versetzt und das Knöpfchen an meiner Pulsuhr gedrückt. Das alles klappte sogar auf den ersten 3 Metern einwandfrei, sodass ich ziemlich gut vom Start wegkam. Überraschenderweise erging das aber fast jedem so in der Menge. Fast alle drückten irgendwelche Knöpfe am Handgelenk oder auf den Handys, welche dann am Arm befestigt wurden. Irgendwie lustig, denn immerhin hier hob ich mich keineswegs von den echten Sportlern ab. Es ging also raus aus Wallstadt Richtung Vogelstang-See. Schon auf den ersten 100 Metern merkte ich, dass meine Waden trotz Dehnung absolut nicht aufmachen wollten. Hier musste ich also wohl Geduld bewahren, bis sie dann endlich von alleine aufgingen.
So ziemlich schnell merkte ich auch, dass ich es für mich ziemlich schwer werden würde, nicht als Letzter den Zieleinlauf zu überqueren, geriet ich doch ziemlich schnell irgendwie ans Ende des Feldes. Wenn man aber bedenkt, dass die meisten auf der großen Laufrunde (selbe Strecke + 50% bzw. 100%) waren und nicht wie ich auf der kürzeren Nordic-Walking-Strecke und daher auch voll im Saft standen und wirklich schnell joggten, kann man das schon etwas besser einordnen. Und anfangs sollte es ja dann auch besser werden.
Der Rennverlauf
Einige Damen in meiner Laufgruppe waren auch dabei. Mit richtigen Nordic-Walking Stöcken und sie waren für meine Relation sogar recht flott unterwegs, hängten sie mich doch relativ schnell ab und ich lief als letzter des Feldes einsam meinen Weg. Gibt sicherlich schönere Momente, aber das hielt mich nicht davon ab, die Zähne zusammen zu beißen und mich weiter an die Mädels heranzukämpfen. Und siehe da. Nach einem knappen Kilometer machten meine Waden plötzlich auf und es lief wie geschmiert. Zuerst kam ich an eine Dreiergruppe der Damen und zog relativ locker vorbei. An eine Zweiergruppe der weiblichen Mitläufer bin ich bis dahin auch schon auf 50 Meter rangekommen und nun wollte ich diese auch überholen. Und es funktionierte nach knapp einem Kilometer einwandfrei. In gekonnter Manier eines Profis (hust) überholte ich auf der rechten Spur und zog vorbei. Ihr lacht jetzt bestimmt, aber das Gefühl war für mich einfach nur tierisch geil, denn vor mir waren nur noch 3 mit Stöcken unterwegs. Das Siegertreppchen war also in realistischer Reichweite.
Lauf, so schnell Du kannst
Das heißt also bis zum Ziel nun endlich Gas geben um mit auf dem Podium zu stehen, doch irgendwie kam alles anders. Kurz vor Kilometer 2 legte es mich hin und ich lag plötzlich auf allen Vieren mitten auf der Strecke. Irgendwie musste ich über eine kleine Bodenschwelle gestolpert sein. Bei der Formel 1 wäre jetzt mein Unterboden am Auto sicherlich kaputt. Da ich aber per Pedes unterwegs war, hatte ich schmerzhafte Blessuren an Knie und an meiner linken Hand, die ich eigentlich dazu benutzen wollte, den Sturz aufzuhalten. Von der einen auf die andere Sekunde dachte ich, man hätte mir 1.000 Nadelstiche ins Knie versetzt. Ich bin mit vollem Gewicht mitten drauf gefallen. Irgendwie kroch in ins nahe Grün, um vom Laufweg runterzukommen und blieb da gefühlte 5 Minuten bewegungslos auf dem Rücken liegen. War es das jetzt? Sollte so meine Rennpremiere enden? Wie kann ich da H.P. unter die Augen treten, der mich im Vorfeld moralisch so unterstützt hat. Also stand ich wieder auf und setzte mich irgendwie in Bewegung. Und das ging sogar einfacher, wie ich im ersten Augenblick dachte.
Zwischenzeitlich wurde ich natürlich von allen in meiner Laufklasse überholt. Also musste ich irgendwie versuchen das Feld von hinten aufzurollen. Keine 200 Meter vor mir war die zweite Dreiergruppe zu sehen. Und natürlich war mein Ziel, erstmal diese wieder einzuholen. Doch keine 250 Meter nach dem ersten Sturz legte es mich schon wieder auf die Nase, diesmal aber konnte ich mich zumindest etwas abrollen, sodass mein Knie nicht voll einen Schaden erlitt.
Mein Ende bestimme ich selbst!
Jetzt war natürlich jegliches Feuer in mir erstmal erloschen. Ich lag wieder auf dem Boden und dachte wirklich ans Aufgeben. Der ganze Mist kostete mich bei beiden Stürzen locker 3-5 Minuten – entscheidend. Ich fasste mir ans Knie und spürte – nichts. Kein Druckschmerz, keine Nadelstiche, irgendwie nichts. Scheint also alles noch mal gut gegangen zu sein. Und so stand ich dann auf und sagte zu mir selbst, dass ich diesen Lauf nun beenden werde. Ganz egal wie lange ich brauche, ganz egal, ob ich verblute und ganz egal, wie oft ich noch auf die Schnauze falle. Ich entscheide, wann Ende ist. Und mein Ende ist der Zieleinlauf.
Also lief ich weiter und ich kam sogar noch mal ran an die letzte Dreiergruppe der Damen. Allerdings war mein Pulver wohl verschossen oder ist einfach ausgelaufen bei den Stürzen. Ich kam nicht mehr ran und verlor sogar noch einiges an Strecke auf die Mädels. Als wir um den zweiten See dann endlich rum waren, kam ich zwar noch mal ran, aber dann war Ende. Mein Knie fing richtig an sich bemerkbar zu machen und so fiel mir jeder Schritt immer schwerer.
Gott sei Dank waren aber noch die anderen Laufklassen unterwegs und ich war immer in Sichtweite irgendwelcher Läufer, die zwar wesentlich mehr Tempo als ich drauf hatten, aber mir dennoch das Gefühl gaben, immer noch dabei zu sein. Also lief ich einfach weiter und versucht das ganze ohne weitere Stürze und schon gar nicht mit einer Aufgabe zu beenden.
Der Zieleinlauf
Auf dem Rückweg nach Wallstadt rein wurde ich natürlich von einigen Herren der aktiven Laufklasse überholt. Diese hatten jedoch teilweise den doppelten Streckenweg wie ich in meiner Klasse. Als ich dann in die letzte Kurve lief und schon etwa 100 Meter vor dem Ziel war fiel ich in eine Art Trance und setzte wirklich an zu joggen. Ich war innerlich total aufgewühlt und den Tränen nahe, so stolz wie Bolle war ich auf mich selbst. Nie im Leben hätte ich noch gedacht lebend das Ziel zu erreichen. Im Ziel selbst standen schon jede Menge Menschen, die mich mit Applaus bedachten – wohl eher aus Mitleid denn aus Anerkennung, aber mir war das so ziemlich egal. Dass meine runtastic-App da schon den Geist aufgegeben hat und gar nicht mehr mitlief, hab ich erst später gemerkt, aber mir war das auch egal. Ich bin angekommen, ich habe mir nichts gebrochen und mir ging es in dem Moment einfach nur verdammt gut.
Panik unter den Zuschauern
Auf einmal wurde es allerdings etwas hektisch um mich herum und ich stand mitten in einer Traube von Zuschauern und Vereinsvertretern, die mein kaputtes Knie und meine Hand bemerkten, die beide gemütlich vor sich hinbluteten. Schmerzen hatte ich auf Grund meines Adrenalinschubes jetzt keine mehr, aber irgendwie wurde alles versucht, meine Verletzungen zu verbinden, was jedoch mangels Ausrüstung zuerst fehl schlug. Irgendeine Dame kam dann auf mich zu und sagte, sie sei in ihrer Apotheke gewesen und habe Verbandsmaterial für mich besorgt. Ich habe mich tausendfach bedankt und mich von der netten Dame verbinden lassen. Total nettes Völkchen in Wallstadt. Sie riet mir danach noch auf jeden Fall ins Krankenhaus zu fahren, um die Wunden reinigen zu lassen, damit sich keine Entzündungsherde bilden. Danach gab es noch verdammt viel Lob von einigen Mitläufern, den Verantwortlichen und auch Zuschauern, die ja gesehen haben, was für ein Koloss ich bin (deswegen auch meine Unruhe vor dem Start). Das tat richtig gut und hat mich schon wieder verdammt aufgeheitert.
Nach einer Zigarette, einem weiterem netten Plausch mit H.P., der Siegerehrung und einer weiteren geheimen Siegerehrung schwang ich mich dann auch auf mein Rad und machte mich auf den Nachhauseweg. Und jetzt spürte ich dann wirklich wieder mein Knie und so fuhr ich mehr oder weniger mit halber Kraft nach Hause – fast. Auf dem Weg passierte nichts mehr Unvorhergesehenes, aber auch kein Wunder, denn nach 2 Minuten Fahrrad fahren stieg ich ab und lief zur Straßenbahnhaltestelle und fuhr dann lieber mit der Bahn nach Hause. Sonst wäre ich heute noch nicht zu Hause.
Rennende im Krankenhaus
Da mir die nette Apothekering geraten hat, noch meine Wunden professionell reinigen zu lassen, machte ich mich dann nach kurzem Aufenthalt zu Hause auch gleich auf den Weg ins Theresienkrankenhaus, um meine Wunden reinigen zu lassen. Also rein ins TKH – und wider erwarten ging auch alles recht flott. Nach der Anmeldung dauerte es keine 5 Minuten und ich war im Behandlungszimmer. An einem Wochenende nachmittags in Mannheim schon die Ausnahme. Eine nette Schwester reinigte dann nach kurzer Ansicht eines Arztes meine Wunden und verband diese nach ausrechender Desinfektion dann gleich auch. An der Hand mussten noch ein paar Hautfetzen, die da einfach so rumhingen, abgeschnitten werden, aber dann war auch alles wieder okay. Knie und Hand verbunden. Ich bedankte mich artig und verließ dann glücklich das Krankenhaus. Draußen dachte ich mir dann, dass dies ein total aufregender Tag für mich und war und das Rennen ja eigentlich erst jetzt geendet hat für mich. Irre!
Mein Fazit
Durch meine idiotischen Stürze bin ich doch glattweg vom Treppchen runtergefallen. Glaube ohne diese wäre ich bis zum Ende noch härter zu mir gewesen und hätte realistische Chancen auf Platz 1-3 gehabt. Aber so freue ich mich schon auf das kommende Jahr, denn es herrscht hier absolute Wiederholungsgefahr. Denn nächstes Jahr bin ich auf jeden Fall wieder dabei. Und dann ohne Stürze, ohne Verletzung und wieder mit irre viel Spaß. ich muss mich da echt bei H.P. bedanken, der mich auf diesen irren Trip gebracht hat. Saugeile Sache, trotz all den widrigen Umständen. Aber nur die Harten kommen in den Garten. Außerdem ist es cool, dass ich Euch davon in meinem Laufblog davon berichten kann. :) :)